Unruhe bei Riester-Sparern
Das Deutsche
Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hat Riester-Sparer
mit harscher Kritik an der Vorsorge-Form „Riestern“ viele
aufgeschreckt: Macht das überhaupt Sinn? Mit was können
Riester-Sparer rechnen? Sollte ein bestehender Riester-Vertrag
gekündigt werden? Hier ein Überblick über die Sachlage.
Riester-Rente: Harsche neue Kritik und ernüchternde Zahlen
Schon
2008 wurde durch einen Beitrag des ARD-Magazins „Monitor“ (
MONITOR-Beitrag) aufgedeckt, dass Leistungen aus der
Riester-Rente auf eine eventuell notwendige
Grundsicherung im Alter angerechnet werden. (Grundsicherung ist
quasi Sozialhilfe im Alter, falls die Rente nicht die Existenz
sichert.) „Obendrauf“, also zusätzlich, gibt es die Riester-Rente
nur zur normalen Rente ohne Grundsicherungsbedarf. Wer eine sehr
geringe Rente bekommt, hat also mit seinen Riesterzahlungen dem
Sozialamt einen Teil von dessen Kosten vorfinanziert und selbst kein
zusätzliches Geld. Anders ausgedrückt: Sinn macht das Riestern also
nur für Leute, die später eine Altersversorgung über dem
Grundsicherungsbedarf erzielen. Kornelia Hagen, Expertin des
Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), wurde mit
den
Worten zitiert: „Menschen, die im Alter auf Grundsicherung
angewiesen sein werden, laufen Gefahr, von ihrem angesparten
Beiträgen gar nicht zu profitieren. So wird nach jetziger Rechtslage
die Riester-Rente mit der Grundsicherung verrechnet. Rentner, die
geriestert haben, bekommen den gleichen Grundsicherungssatz wie die,
die nicht geriestert haben, und keinen Cent mehr.“
Das ist
aber nur ein Aspekt, auf den Skeptiker verweisen. Die
DIW-Kritik an der RiesterRente zielt hauptsächlich auf einen
anderen Punkt ab: Für viele Riester-Sparer besteht die Gefahr, dass
sie die Auszahlung ihres eingezahlten Kapitals und der erhaltenen
staatlichen Zulagen überhaupt nicht erleben, weil sie nicht alt
genug werden. Jede Rentenversicherung, egal ob mit einem
Riester-Vertrag oder ohne staatliche Förderung, ja sogar die
„normale“ Einzahlung in die Rentenversicherung, ist immer auch immer
ein Spekulieren auf ein langes Leben. Die Einzahlungen rentieren
sich um so mehr, je länger man lebt, denn eine Rente wird lebenslang
gezahlt.
Das DIW hat nun herausgefunden, dass die Anbieter von
Riester-Renten anders rechnen, weil sie höhere Lebenserwartungen
annehmen.
Die monatliche Rentenzahlung muss nach
Anbieter-Ansicht geringer sein, weil die meisten Rentner länger
leben als bisher. Anders als die Deutsche Rentenversicherung (DRV)
sind Banken und Versicherungen ja keine Solidargemeinschaft, sie
wollen Geld verdienen. Vielleicht wird ein Riester-Rentner also
möglicherweise noch nicht einmal das eingezahlte Kapital und die
erhaltenen staatl. Zulagen in monatlichen Rentenzahlungen
zurückerhalten, wenn er „nur“ 80 Jahre alt wird. Das DIW rechnet vor
(S. 10), dass eine Frau 128 Jahre alt werden muss, um nach 25
Beitragsjahren eine halbwegs vernünftige Rendite von 5 % für ihr
Sparen zu erhalten. Das gilt für einen 2001 abgeschlossenen Vertrag.
Für einen 2011 abgeschlossenen Riestervertrag ist diese Rendite
schlicht gar nicht mehr erreichbar.
Anmerkung: Wer übrigens
denkt, er könne seine Riester-Ansprüche vererben, irrt leider. Ein
Vererben ist nur für die Ansprüche vor dem 85. Lebensjahr und nur
„förderschädlich“ möglich, d. h. die Erben müssen alle staatlichen
Zulagen zurückzahlen.
Dabei klang es lange Zeit anders
Diese
Kalkulationen sind deshalb so schockierend, weil auch seriöse
Finanzberater wie finanztest.de immer wieder die Riester-Rente und
besonders die Variante Banksparplan als besonders sicher empfohlen
haben mit Aussagen wie
• „Riester-Banksparpläne bleiben eine
ideale Altersvorsorge für fast jeden“ (Finanztest, 11/2010)
•
„Sicher ist sicher“ (Finanztest 8/2002)“
• „Für ältere
Riester-Sparer gibt es nichts Besseres“ (Finanztest 11/2006)
•
„Die staatl. Förderung für Riester-Verträge ist so attraktiv, dass
selbst nach einem Börsencrash noch eine dicke Rendite für den
Anleger bliebe“ (Finanztest, 11/2010)
Und auch im aktuellen
Finanztest-Heft gibt es keinerlei Hinweis auf die jetzt notwendig
andere Einschätzung, auch nicht bei "mediafon".
• „Jeder Riester-Vertrag muss mindestens die Auszahlung der
eingezahlten Beiträge zzgl. staatlicher Zulagen vorsehen
(Geld-zurück-Garantie)“, aber eben nur zum Ende der Ansparphase.
Josef Ellenrieder
• Ver.di, die Verbraucherzentrale und "Das
Erste" stellen in Aussicht, dass bei konstanten Entwicklungen eine
Rendite von knapp 4 % zu erzielen ist, nach 30 Jahre ‚Füttern‘.“
(„Durchblick Riester-Rente“, 2001, Hg. Von der ARD und der
Verbraucher- Zentrale NRW, Seite 50).
Übrigens: In ihrer
neuesten Meldung mit dem Titel „Riester-Rente - Es geht noch besser“
entschuldigt sich die
Stiftung Warentest genauso wenig für das doch - gelinde gesagt -
fragwürdige bisherige Bejubeln der Riester-Rente wie andere
Organisationen.
Übrigens: Auch ich war
bisher
reichlich euphorisch!
Jetzt mehr Riester-Wahrheit
Viele Sparer
haben den Empfehlungen geglaubt und die eher niedrigen Zinsen der
Banken als Ausdruck seriöser Versprechen hingenommen. Leider ist
jedoch die versprochene Verzinsung in der Ansparphase oder in der
Auszahlungsphase eben nicht die Rendite! Für alle ‚Riester‘-Produkte
gilt: Die Rendite ist unbekannt. Und die Anbieter weigern sich, sie
auszurechnen - das sei nicht möglich und könnte erst bei
Auszahlungsantrag und Mitteilung des voraussichtlichen Sterbedatums
errechnet werden. Nun ist das bei vielen Renten so, aber bei der
Riester-Rente handelt es sich um eine kapitalgedeckte Vorsorge,
deren grundlegende Unsicherheit sie vor allem für Geringverdiener
sehr riskant macht.
Dass die Renditeberechnung anhand der
Sterbetafeln des statistischen Bundesamtes möglich ist, hat das
DWI ja vorgemacht. 2001 ging man von einer durchschnittlichen
Verzinsung von 4 % aus und hielt das für niedrig („Sobald die Zinsen
steigen, werden auch Sie profitieren.“). Nun beträgt die Verzinsung
aber nur 1 %. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)
hatte 2001 für ein Anfangseinkommen von 10.000 Euro eine Zusatzrente
von 188 Euro prognostiziert. Die Mainzer Volksbank stellt eine
ähnlich hohe Rente in Aussicht für ein angespartes Kapital von
50.000 Euro bei Rentenzahlungsbeginn 63 Jahre.
Es ist also
schwierig, herauszubekommen, ob Sie die „Geld-zurück-Garantie“ noch
erleben werden, ob diese „Garantie“ für Sie ein falsches Versprechen
gewesen sein wird oder ob Sie sogar noch eine schmale Verzinsung
erleben.
Sollten bestehende Riester-Verträge gekündigt werden?
Die bereits erwähnte DIW-Expertin Kornelia Hagen empfahl in der
Bild-Zeitung: „So generell kann man das nicht sagen. Oft ist
kündigen keine gute Idee, weil hohe Kosten entstehen können. Wer
unzufrieden ist, sollte sich von einem unabhängigen
Versicherungsberater (DRV, Verbraucherschutz) über alle
Möglichkeiten informieren. Ein Vertrag kann auch stillgelegt werden.
Das heißt, man zahlt keine Beiträge mehr ein und behält zumindest
die Zulagen für die Zeit, in der gespart wurde. Prinzipiell sollte
aber jeder Sparer bedenken, dass das Absicherungsniveau in der
gesetzlichen Rentenversicherung bei Riester-Einführung gesenkt wurde
und damit eine Altersvorsorge für viele wichtig geworden ist.“
Soll man bestehende Riester-Verträge nun kündigen? Macht Riestern
noch für irgendjemand Sinn?
Wie Riester-Sparer sinnvollerweise
reagieren können, hängt von ihrem Alter ab:
• Ältere, die schon
in die Nähe der Verrentung, also der Auszahlung gerückt sind,
sollten ihr Riesterguthaben, so weit möglich, „förderunschädlich
kapitalisieren“, sprich sich auszahlen lassen, ohne die staatlichen
Zuschüsse zurückzahlen zu müssen.
Dafür gibt es zwei
Möglichkeiten:
1. Wer Geringverdiener ist und nur wenig
Rentenanspruche erworben hat, kann sich seine Riesteransprüche auf
einmal auszahlen lassen - das nennt sich „Abfindung einer
Kleinbetragsrente“ und ist förderunschädlich möglich. Voraussetzung
ist also, dass sich aus dem vorhandenen Altersvorsorgekapital nur
eine so genannte „Kleinbetragsrente“ ergibt. Das ist dann der Fall,
wenn die monatliche Rente weniger als ein Prozent der „monatlichen
Bezugsgröße“ ausmachen würde. Als Grenzwerte für eine
Kleinbetragsrente ergeben sich so für 2011 25,55 Euro monatlich
(306.60 Euro jährlich) in den alten und 21,70 Euro (260,40 Euro
jährlich) in den neuen Bundesländern. Für 2012 liegen die Werte bei
26,25 Euro monatlich (315 Euro jährlich) in den alten und 22,40 Euro
monatlich (268.80 Euro jährlich) in den neuen Ländern.
2. Alle
anderen sollten sich zu Beginn der Auszahlungsphase (also frühestens
ab 60) 30 % des Sparkapitals förderunschädlich auszahlen lassen. Das
ist inzwischen förderunschädlich möglich!
Die restliche
Rente sollte so weit wie möglich in die
Finanzierung
einer eigenen Immobilie umgewandelt werden- das ist bis zu 75 %
möglich. Dann wird zwar die restliche Rente minimal, aber man erlebt
wenigstens die Auszahlung des größten Brockens. Und bitte auf die
Bankgebühren achten!
• Jüngere, die von der
Riester-Förderung profitieren wollen, sollte über folgende Varianten
nachdenken:
3. ein Riester-Bausparvertrag: Damit lässt sich der
Kredit für die Eigentumswohnung tilgen. Allerdings beträgt der
Guthabenzins der Bausparkassen nur 0,5 bis 1 %.
4. ein
Wohn-Riester-Darlehen: Damit kann man eine Immobilie erwerben, die
Riester- Zulagen helfen bei der Tilgung. Beide Varianten sind auf
Immobilien als Altersvorsorge ausgerichtet, statt der für viele
sinnlosen kapitalgedeckten Riester-Varianten.
5.12.2011
=> zum
Themenüberblick
Mein Artikel wie auch die DIW-Studie hat
natürlich Kritik ausgelöst - aus der Versicherungswirtschaft. Völlig
andere Meinungen finden Sie also auf
http://www.versicherungsjournal.de/versicherungen-und-finanzen/rechenfehler-beschaedigen-das-bild-von-riester-110346.php
oder
http://www.versicherungsjournal.de/versicherungen-und-finanzen/gdv-riestern-lohnt-sich-doch-110323.php
15.12.2011
Eine Kleinbetragsrente wurde in einem konkreten Fall nach
Erreichen der Altersgrenze von 62 Jahren mit rund 4900 € auf einen
Schlag abgefunden. Die Eigenleistung betrug in 8 Jahren insgesamt
3775 € - das bedeutet einen Ertrag von rund 30 % abzüglich
Kapitalertragssteuer!

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